Ansprache Amill Gorgis (Vorsitzen der FÖGG e.V.) bei der Weihezeremonie für die ökumenische Gedenkstätte für Genozidopfer im Osmanischen Reich
Amill Gorgis (Vorsitzender FÖGG e.V.)
ANSPRACHE AUF DER WEIHEZEREMONIE DER ÖKUMENISCHEN GEDENKSTÄTTE FÜR GENOZIDOPFER IM OSMANISCHEN REICH (BERLIN-CHARLOTTENBURG, 13. OKTOBER 2012)
Hochverehrte Priester,
Sehr geehrter Herr Höhne,
Sehr geehrte Vertreter unserer armenischen, griechischen und syrisch-orthodoxen Gemeinden!
Ein Wunsch geht in Erfüllung, schon lange hat dieser Gedanke uns beschäftigt: Einen Ort zu finden, an dem wir angemessen unserer gemarterten Vorfahren gedenken können. Und heute wird symbolisch der erste Spatenstich gemacht, für eine Gedenkstätte, für die Genozidopfer im Osmanischen Reich.
Dass sie nun realisiert werden kann, ist sowohl den Menschen zu verdanken, die als Nachfahren die Geschichte mit sich und in sich tragen, sowie den Menschen, die sich von der Geschichte haben bewegen lassen und sie aufarbeiten wollen.
Wir, die Nachfahren jener, die bei Massakern, auf Todesmärschen und durch Zwangsarbeit vernichtet wurden, sind Teil dieser Geschichte, weil sie die unserer Großeltern, Urgroßeltern, Großonkel und Großtanten ist. Sie zu ignorieren, zu verdrängen bedeutet, einen Teil von uns zu verleugnen. Wir spüren mehr und mehr die Pflicht und das Bedürfnis, den Mitgliedern unserer Völker zu gedenken, die namenlos, am Straßenrand tot liegen gelassen oder bei lebendigem Leibe in Kirchen oder Häusern verbrannt worden sind. Und jener von ihnen zu gedenken, die durch die Straßen von Städten gezerrt worden sind, zur Belustigung des Tätervolkes, kalt und ohne Erbarmen zur Schau gestellt.
Diese Geschichte erzählen wir unseren Kindern, damit sie niemals so ein Unrecht dulden, nicht gegenüber ihren Freunden, und auch nicht gegenüber ihren Feinden.
Es gibt Menschen außerhalb unserer Völker, die von dem Leid unserer Völker erfahren haben und zu diesem Unrecht nicht schweigen können. Durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit als Menschenrechtler, aber auch durch wissenschaftliche Aufarbeitung der Ereignisse, ist wertvolles Wissen an die Öffentlichkeit gelangt. Ihre Arbeit verhindert das Vergessen.
Zu diesen außergewöhnlichen Menschen gehört Frau Dr. Tessa Hofmann, ohne ihr unermüdliches Schaffen, selbstlos und oft unter dem Einsatz aller ihrer Kraft, hätten wir nicht das erreicht, was wir jetzt erreicht haben.
Liebe Tessa, du bist einen langen Weg mit uns gegangen. Im Jahre 2002 hast du eine wissenschaftliche Konferenz zum Thema des Genozids im spätosmanischen Reich (Technische Universität Berlin, 2002) organisiert, und einige von uns haben mitgewirkt. Motiviert durch diese Erfahrung ist ein Organisationskomitee „Mit einer Stimme sprechen!“ entstanden. Du hast danach die Ergebnisse dieser Konferenz als Schrift unter dem Titel „Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der Christen im Osmanischen Reich 1912-1922“ herausgegeben. Davor wurden wir von Bischof Dr. Wolfgang Huber empfangen, der das Geleitwort für die Publikation schrieb.
Es folgten in regelmäßigen Abständen Tagungen mit Vorträgen aus Anlass der Gedenktage unserer Völker. Ich erinnere an die Tagung 2005 in der Evangelischen Akademie. Und es gäbe noch viel mehr aufzulisten.
Liebe Tessa, du hast uns immer wieder zusammengerufen und mit uns überlegt, was wir als nächsten Schritt tun können. Du hast die Schreibarbeit für uns erledigt.
So haben wir mit dir viele Orte aufgesucht, die als Gedenkstätte an den Völkermord in Frage kämen. Ich erinnere an unsere Gespräche mit der Stiftung der Gedächtniskirche, an den Besuch bei der damaligen Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, Monika Thiemen, sowie an den Besuch bei der Gedenktafelkommission jenes Bezirks, der eng mit der armenisch-türkisch-deutschen Geschichte verbunden ist und in dem seit Jahrzehnten die beiden armenischen Gemeinden Berlins sowie eine der vier syrisch-orthodoxen Gemeinden der Hauptstadt ansässig sind.
Tessa, hier und an dieser Stelle und im Beisein der Vertreter unserer Gemeinden, möchte ich einfach Danke sagen, denn wie sollte man all deine Mühen und dein Schaffen angemessen würdigen?
Und es gibt noch eine Person, der wir viel zu danken haben, dass diese Gedenkstätte so realisiert wird, wie das Konzept es vorsieht.
Durch die Vermittlung der Gedenktafelkommission des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf erhielten wir Kontakt zur Verwaltung des Luisenkirchhofs III, in der Person von Herrn Höhne. Wir sind glücklich und dankbar, dass uns hier ein Mensch begegnet ist, der uns lange zugehört hat und dem die Geschichte unserer Völker sehr präsent ist. Er hat am Ende großzügig entschieden, an prominenter Stelle – am Ende der Hauptachse – vier benachbarte historische Erbbegräbnisstätten zu Verfügung zu stellen, für einen Trauer- und Gedenkort zur dauerhaften Nutzung.
Die neoromanischen bzw. neoklassizistischen Stilelemente der drei einstigen Grabmäler besitzen Parallelen zu der armenisch-christlichen bzw. der antiken griechischen Architektur und laden somit zur Identifizierung als „Häuser“ der in dieser Gedenkstätte vereinten drei christlichen Opfergruppen ein.
Ihnen, Herrn Höhne, möchten wir heute ganz herzlich danken für Ihre Verbundenheit und Großherzigkeit!
Und ich möchte es nicht versäumen auch an dieser Stelle den Architekten Hoffmann herzlich zu danken, der unsere Gedanken zu den Gedenkstätten aufnahm und konzeptionell aufarbeitete Ohne, dass er bis jetzt entlohnt werden könnte. Wir werden die nächste Zeit nutzen, um an vielen Türen zu klopfen und hierfür um Unterstützung bitten.
Danken möchte ich auch allen Mitstreiter, die von Beginn an sehr viele Stunden geopfert haben, um diesen Weg zu gehen. Stellvertretend für alle, die mitgeholfen haben, danke ich Frau Sona Eypper, Dr. Gerayer Koutcharian, Lampros und Konstantinos Savvidis, Achilles Lykos, Yevsi Gurkan und Abdo Arik.
Möge diese Gedenkstätte ein Ort sein, zu dem wir einzeln aber auch gemeinsam als Armenier, Griechen und Aramäer hin pilgern und unsere gemarterten Vorfahren gedenken.
Ein Ort, den wir, mit unseren Kindern und Enkel, aufsuchen und mit ihnen diese Geschichte gemeinsam aufarbeiten.
Ein Ort, zu dem eines Tages nicht nur Nachfahren der Opfervölker, sonder auch die des Tätervolkes hinkommen, damit Versöhnung und Vertrauen beiderseits wachen kann.